Titelbild: Die neue Gebührenordnung für Tierärzte (GOT)

Im Fokus

Die neue Gebührenordnung für Tierärzte (GOT)

Die neue GOT ist seit 22. November 2022 gültig

Link | Die neue Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT)

Die Bundestierärztekammer hat zur neuen GOT ein Informationsblatt für Patientenbesitzer veröffentlicht, in dem es heißt: „2020 wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eine Studie in Auftrag gegeben, die wissenschaftlich fundiert die einzelnen tierärztlichen Leistungen bewerten sollte, um zu gewährleisten, dass die GOT kostendeckend ist. Die neuen Gebühren basieren auf den Ergebnissen dieser Studie.“ Dass die gestiegenen Preise – gerade in der jetzigen Zeit – auf ein gewisses Unbehagen bei der Kundschaft treffen könnte, wird von der Tierärztekammer wohl erwartet. Denn im nächsten Satz heißt es: „Sollte Ihnen der Preis als nicht angemessen vorkommen, bitten wir Sie zu bedenken, dass die Höhe der aktuellen Anpassung noch nicht einmal dem Inflationsausgleich entspricht und dementsprechend äußerst maßvoll ist. Überdies sind die Praxiskosten, die bis zu 75 Prozent des Umsatzes betragen, in weit höherem Maße gestiegen als die Inflationsrate, auch die Entwicklungen 2022, die in allen Bereichen des täglichen Lebens zu signifikanten Preissteigerungen geführt haben, sind in diesen Preisen noch nicht einmal berücksichtigt. Denken wir unter anderem an gestiegene Kosten für medizinische Geräte, Personal, Versicherungen, Entsorgung und Energie. Die Rolle des Tierarztes als Berater zu vorbeugenden Maßnahmen in Nutztierbeständen ist immer anspruchsvoller geworden und muss entsprechend honoriert werden.“


Wozu gibt es überhaupt eine Gebührenordnung?

Die gesetzliche Gebührenordnung sorgt für Transparenz und schützt Tierhalter vor Übervorteilung. Ein Wettbewerb zwischen Tierärzten soll vorwiegend über die Leistung und weniger über den Preis stattfinden. Eine angemessene gesetzliche Vergütung stellt sicher, dass Tierärzte dem Qualitätsanspruch der Tierhalter zum Beispiel durch Fortbildung und Investitionen nachkommen können. Ein hohes Qualitätsniveau der tierärztlichen Leistung dient dem Tierschutz. (Quelle: Bundestierärztekammer)


Link | Die Kritik der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) an der neuen GOT


Zusätzliche Bedingungen

der Holsteiner Verband Hengsthaltungs GmbH für die Bedeckung / Besamung auf Holsteiner Hengststationen 2023

Die nachfolgenden Bedingungen regeln zusätzlich das Vertragsverhältnis zwischen der Holsteiner Verband Hengsthaltungs GmbH und dem jeweiligen Stuteneigentümer als Vertragspartner über die Bedeckung / Besamung auf Holsteiner Hengststationen. Im Einzelfall getroffene, individuelle Vereinbarungen mit dem Vertragspartner (einschließlich Nebenabreden, Ergänzungen und Änderungen) haben Vorrang vor diesen AGB.

8. Abrechnung der tierärztlichen Aufwendungen bei Besamungen auf Holsteiner Verbandsstationen

Besamungen durch die Hengste der Holsteiner Verband Hengsthaltungs GmbH, Elmshorn beginnen ca. am 16. Februar 2023. Dem Züchter stehen für die Abrechnung der tierärztlichen Aufwendungen für jede Stute individuell zwei Möglichkeiten zur Verfügung, wobei die Entscheidung hierüber im Rahmen des auf der Station zuschließenden Deck-/Besamungsvertrages vor der ersten Besamung der Stute schriftlich zu erfolgen hat:

A.    Direkte Einzelabrechnung mit dem Tierarzt auf Grundlage der tierärztlichen Gebührenordnung

       oder  

B.    Abrechnung gemäß der jeweils gültigen Pauschale

     a.     Stationsbesamungspauschale Frischsamen je Rosse 

                1. Rosse 190,– Euro + MwSt.

                2. Rosse 120,- Euro + MwSt.

                3. Rosse 120,- Euro + MwSt. 

                (Preis gilt fortlaufend auch für jede weitere Rosse)


     b.    Stationsbesamungspauschale TG-Samen je Rosse  

                1. Rosse 250,– Euro + MwSt.

                2. Rosse 250,- Euro + MwSt.

                3. Rosse 120,- Euro + MwSt. (nur Frischsamen) 

                (Preis gilt fortlaufend auch für jede weitere Rosse)    

       
     c.   Hofbesamungs-Pauschale je Rosse

                230,- Euro + MwSt. je Rosse    

                (Preis gilt fortlaufend auch für jede weitere Rosse)


Allgemein:

Die Pauschale beinhaltet jeweils die gynäkologischen Untersuchungen und Besamungen während einer Rosse.

Die Pauschale beginnt, wenn neben einer sichtbaren äußeren Rosse am Probierhengst ein besamungsfähiger Follikel (mind. 35 mm) vorhanden ist, wobei der Stationstierarzt über die Besamungsfähigkeit der Stute entscheidet. Ist dieser besamungsfähigen Follikel nicht vorhanden, werden die notwendigen Untersuchungen und Behandlungen, bis ein solcher vorhanden ist, vom Tierarzt gesondert berechnet.

Follikelkontrollen außerhalb der Rosse sowie zusätzliche medizinische Behandlungen, bspw. Ovulationsterminierungen, Tupferproben, Trächtigkeitskontrollen und tiefgefrierspezifische Hormonbehandlungen werden den Stuteneigentümern vom Tierarzt gesondert in Rechnung gestellt.

Für separat abzurechnende Einzel- Follikelkontrollen gilt auf den Stationen für 2023 ein Sonderpreis von 32,- € zzgl. Mwst (Gilt nicht für Stalluntersuchungen!)

TG Pauschale auf Station: wird in den ersten beiden Rossen mit TG-Samen besamt, erfolgt bei Nicht-Trächtigkeit  die Besamung in der dritten Rosse mit Frischsamen eines Verbandshengstes.

Der Umstieg auf Frischsamenpauschale kann bereits in der zweiten Rosse erfolgen (120,- Euro + MwSt.). 

Aufgrund der mehrfach täglich notwendigen Untersuchungen bei der Verwendung von TG Samen („Besamung auf Punkt“), werden anfallende Fahrtkosten außerhalb der regulären Stationszeiten nach Aufwand gesondert in Rechnung  gestellt.

Für die TG-Pauschale kommen nur Hengste infrage, die von der Holsteiner Verband Hengsthaltungs GmbH, Elmshorn ausgewählt wurden und die nachweislich besamungsfähig mit ausreichendem Befruchtungsindex sind. Die Stuten müssen vom Stationstierarzt als geschlechtsgesund und mit ausreichend positiver Trächtigkeitsprognose akzeptiert werden, um für die Abrechnung nach der TG-Pauschale in Frage zu kommen. Hohes Alter, akute und chronische Erkrankungen des Geschlechtsapparates, wiederholte Güstzeiten etc. können zu einer Ablehnung der Pauschale führen.

Eine derartige Ablehnung ist vom Stationstierarzt nachvollziehbar zu begründen und mit dem Stutenbesitzer eingehend zu erörtern. Besteht der Stutenbesitzer trotz deutlich fraglicher oder schlechter Trächtigkeitsprognose auf eine TG-Besamung, ist „Einzelabrechnung“ anzuwenden und auf ein erhöhtes Kostenrisiko hinzuweisen.

Bei jedem Stationswechsel ist erneute ein neuer Tierarztvertrag fällig  (Einzelabrechnung bzw neue Pauschale beginnend mit dem Preis der 1. Rosse).


Sonstiges:

Stuten im Embryotransferprogramm:

sofern ein oder mehrere Embryonen (ca. 7. Tag) gespült werden, gilt bei erneuter, wiederkehrender Besamung aufgrund des erhöhten Aufwands                                                               immer der Preis der ersten Rosse  (190,- Frisch bzw 250,- €  TG). Wird kein Embryo gespült, oder wird die Stute im Folgezyklus final zum Selbstaustragen genutzt,  gelten die Preise der                           

2. Rosse ( 120,- frisch, bzw. 250,- TG).

Native Besamung:

Der Holsteiner Verband bietet für Problemstuten mit Allergie gegen Verdünner die Möglichkeit der „nativen Besamung“ durch eigene Besamungstechniker in Elmshorn.

Nimmt der Züchter dieses in Anspruch, gelten die Preise der Pauschalen trotz dieser Fremdleistung unverändert.

Trächtigkeitskontrolle:  

Den Züchtern wird empfohlen, bis zum 15. September des Jahres eine Trächtigkeitskontrolle aller Stuten durchführen zu lassen, um im Falle von nicht (mehr) tragenden Stuten bereits frühzeitig notwendige medizinische Behandlungen/Vorbereitungen für die neue Zuchtsaison planen zu können und die Stuten sauber in den Winter zu schicken.

Dr. Henning Achilles informiert über die GOT

(Februar 2023)

PFERD+SPORT: Dass nach über 20 Jahren eine Gebührenanpassung erforderlich wurde und die neue GOT im November 2022 Kraft getreten ist, ist verständlich. Unter anderem wird damit argumentiert, dass der Beruf des Tierarztes wieder attraktiver gestaltet werden solle. Warum haben so viele Praxen Probleme, Nachwuchskräfte zu finden?

Dr. Hennig Achilles: Der Beruf ist unattraktiv geworden, nach sechs Jahren Studium gibt es immer noch Einstiegsgehälter von ca. 2.800 Euro brutto, sowie die Aussicht: „viel work und wenig life". 80 bis 85 Prozent der Uniabsolventen sind weiblich, von denen stellen nach einer Studie, die ich kürzlich las, 20 Prozent schon im Studium fest, dass es nicht der Wunschberuf ist, machen aber ihren Abschluss, um etwas in der Tasche zu haben. Andere werden kurzfristig nach Arbeitsaufnahme schwanger, gehen dann später halbtags in Kleintierpraxen (wenig Wochenenddienste, abends 18 Uhr Feierabend, Verweis an Notdienstringe oder die Klinik in 30 bis 50 km Entfernung). Pferdepraxen werden immer öfter von "Ein-Mann-VW Bus-Praxen betrieben" – keine aufwendige teure Praxis oder Klinik im Background. Kliniken müssen 365 Tage, 24 Stunden und sieben Tage nachts und am Wochenende einen Tierarzt, plus mindestens einen in Reserve und mindestens drei Helferinnen (aus dem Grunde lassen immer mehr Kliniken ihren Klinikstatus ruhen, stufen sich zu "normalen Praxen" und können dann abends um 18.00 Uhr schließen) bieten. Notdienste und Tierarzterreichbarkeit sind am Wochenende und nachts zunehmend deutlich schwieriger geworden, viele Kollegen behandeln in diesen Fällen oft nur eigene Stammkunden. Arbeitszeitgesetze erlauben nur noch maximal acht Std. Arbeitszeit (früher musste der Assistent bleiben, bis der letzte Kunde erledigt war).

Man muss das Ganze aus Arbeitgebersicht sehen: Turnierdienste von Freitag bis Sonntag (morgens 7 bis abends 21.00 Uhr) benötigen 1,5 gut ausgebildete Tierärzte pro Tag, mal drei Tage, am Wochenende dann mit doppeltem Satz, kosten einen Turnierveranstalter zwischen 2.500 bis 3.000 Euro für das Turnier. Das kann der kleine Reiterverein mit L-Springen nicht stemmen. Aber die Kollegen müssen auch entlohnt werden, und fallen dann in der Folgewoche für mindestens zwei Tage aus.

Diese hohe Personalnot, gerade im Notdienst und am Wochenende kostet Geld. Gefühlt sind im Tierärzteblatt 85 bis 90 Prozent Praxen und Kliniken, die Personal suchen. Demgegenüber stehen ganze zehn bis 15 einzelne Annoncen von suchenden Assistenten. Eine weitere Abschreckung ist die überbordende Bürokratie. Mir wurde nach einer kürzlichen Apothekenprüfung auferlegt, jede einzelne Spritze, die ich beim Pferd einsetze, mit Chargennummer und Zulassungsnummer des Präparates im PC zu dokumentieren. Ab nächstem Jahr muss der gesamte Antibiotikaverbrauch regelmäßig an die Überwachungsbehörden gemeldet werden. Man verbringt inzwischen bald 25 Prozent der Zeit am Schreibtisch, dabei habe ich, und viele andere Kollegen, den Beruf gewählt, weil wir eigentlich nur kranken Pferden helfen wollten.

Geld für Praxen gibt es nur noch sehr selten, und der Traum, dass die Praxis mal als Altersrentenbaustein verkauft werden könnte, ist lange vorbei. Kredite für Praxiskäufe und Praxisgründer sind schwieriger geworden. Kliniken werden fast nur noch an Ketten verkauft: zum Beispiel Evidensia, TeamVet, Anicura. Diese Ketten sind Aktiengesellschaften mit einer Renditeerwartung von drei bis fünf Prozent pro Jahr. Sie verfügen über eine Top-Ausstattung, auch über externe Spezialisten, aber am Ende muss der Kunde das alles bezahlen. Die Ketten kaufen zum Beispiel Medikamente aus Einkaufsgenossenschaften, das heißen, sie kaufen nicht 500 Wurmkuren, wie ein kleiner Tierarzt, sondern kaufen 50.000 Stück für 20 Praxen und haben Einkaufpreise, von denen ich nur träumen kann. Verkauf aber erfolgt zum allgemein selben Preis. Also: hohe Rendite durch Masse. 

Fazit: Die GOT war dringend überfällig aus vielfältigen Gründen, den Beruf wieder attraktiver zu gestalten, Personal wieder zu begeistern, adäquater zu entlohnen. Das Problem ist, dass das Auskommen eines Tierarztes knapp bemessen ist, wenn er Personal und teure Geräte vorhält. Das Gehalt eines normal arbeitenden Pferdepraktikers liegt aktuell im Bereich eines KFZ-Meisters. In der Industrie, freien Wirtschaft, oder auch verbeamtet, lässt sich mehr verdienen.

Die GOT ist ein Bundesgesetz mit einem Gesetzes- und Paragraphenteil, der genau regelt, dass die vorgeschriebenen Leistungen (knapp 1.000 bezifferte Positionen) mit dem einfachen bis vierfachen Satz streng einzuhalten sind. Damit ist festgeschrieben, was wieviel mindestens zu kosten hat. Es soll damit ein Preisdumping unter den Tierärzten vermieden, ein finanzielles Überleben gesichert werden. Tierärztliche Leistungen sollen in Zukunft im Grundgerüst überall das Gleiche kosten. Nach oben ist, je nach Aufwand, der mehrfache Satz möglich, im Notdienst immer mindestens der zweifache. "

 

PFERD+SPORT: Ein Punkt der aktuell in der Diskussion steht, ist die Hausbesuchspauschale. Was halten Sie von diesen 34,50 Euro für Pferdehalter, die ja auch jeder Besitzer bezahlen muss, selbst wenn man sich zu einem Sammeltermin für zum Beispiel Impfungen zusammentut?

Dr. Hennig Achilles: Die Hausbesuchspauschale ist leider Gesetz geworden, muss also verpflichtend von jedem Tierhalter bezahlt werden. Sie ist parallel zum Ärzte-Hausbesuch (GOÄ § 50) entstanden, der aber viel billiger ist. Sie wird begründet als sog. "Rüstzeit", das heißt, der Tierarzt macht morgens telefonisch Termine, muss das Bestücken seines Fahrzeugs planen (wie ein Dachdecker, der zu einer neuen Baustelle fährt, und alles an Schrauben und Werkzeug für den dortigen Einsatz einpacken muss), muss unterwegs seine Tour mehrfach ändern, weil etwas dazwischen kommt, hat eine Abnutzung für seine elektronischen Geräte im Auto (Röntgen, Ultraschall zehn Mal täglich rein raus, im dreckigen Stall abstellen usw.), Warten auf den Besitzer, weil das Pferd noch auf der Weide ist, und sich grad nicht einfangen lässt und so weiter. Wichtig: Pferdetierärzte verbringen vier bis fünf Stunden Fahrzeit täglich im Auto. Diese Zeit ist über das Wegegeld nicht abgedeckt. Insofern halte ich diese Gebühr für korrekt, sie spielt auch keine Rolle, wenn eine Kolik, oder aufwendige Lahmheit oder ein Notfall ansteht, das ist eh teurer.

Sehr schlecht gelöst ist das Problem, wenn sich mehrere Pferdehalter zum Beispiel für eine Sammelimpfung zusammentun. Dies ist ja löblich, denn der Tierarzt muss nur einmal fahren, muss nur einmal auspacken und so weiter eigentlich eine win-win Situation, und es ist auch sowohl ökologisch, als auch seuchenhygienisch gut, wenn viele Pferde einen gleichen Impfrhythmus haben. Da hätte es eine Möglichkeit geben müssen, dass, analog zu den Fahrtkosten diese Gebühr hätte aufgeteilt werden können, meinetwegen wenigstens Hälfte, oder Drittel o.ä. Gibt es bisher aber nicht! Es gibt die Möglichkeit, dass, wenn der Stallbesitzer eine Gesamtrechnung auf seine Kappe nimmt, dann kann einmal Hausbesuchsgebühr und einmal Anfahrt berechnet werden, und alle zahlen nur einen festen Anteil, aber, wie gesagt eine Sammelrechnung an einen Halter / Rechnungsempfänger.

Bei der Gynäkologie besteht die Möglichkeit, dass, wenn reine Zuchtstuten in einem landwirtschaftlichen Betrieb mit einer VVO Nummer gehalten werden, diese neben Holzrückepferden und Stuten zur Milchgewinnung, auch von der Gebühr befreit werden können Dies gilt jedoch nicht für Reit- und Sportpferde, gilt nicht für Ponyreitbetriebe, gilt nicht für die Pferdeklappe und Seniorenhaltung usw.

 

PFERD+SPORT: Sehen Sie eine Chance, dass an dieser Gebühr noch „nachgebessert“ wird?

Dr. Hennig Achilles: Die Spatzen pfeifen von den Dächern, dass es bezüglich dieser Position extrem viel Kritik gibt. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Kritik nicht ungehört bleibt. Wenn etwas geändert werden sollte, kann es aber dauern, da, wie gesagt ein Gesetz.

 

PFERD+SPORT: Es wird in der Pressemitteilung der BTK von Stakeholdern gesprochen, die an der Erarbeitung der GOT beteiligt waren. Im Abschlussbericht zur Studie, den das Unternehmen AFC Public Services vorgelegt hat, sind als Stakeholder Standesvertretungen der Tierärzte, Verbände von Tierhaltern (inklusive Bauernverband), Unternehmen/Tierärzte, Versicherungen, Wissenschaft und öffentliche Institutionen und Sonstige aufgeführt. Warum meinen Sie, war die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) bei der Überarbeitung der GOT nicht beteiligt, Tierversicherungen aber schon?

Dr. Hennig Achilles: Das ist schwierig, zu beantworten. Ich habe mal versucht herauszubekommen, wer diese Stakeholder waren. Leider von der BTK (Bundestierärztekammer) keine Antwort. Ich wurde verwiesen an den BMELF. Offensichtlich sind viele Einzelgruppen /Organe gefragt worden, haben das aber irgendwie nicht richtig ernst genommen. Von meinen Kollegen (Einzelpraktiker) habe ich keinen gehört, der befragt wurde. Kliniken sollen wohl mehrere an den Umfragen teilgenommen haben. Was Versicherungen dabei für eine Rolle gespielt haben, wäre wünschenswert, zu erfahren. Und warum die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) erst zwei Monate nachdem das Ganze verkündet wurde, obwohl ausreichend Ankündigungen seit Sommer gemacht wurden, erst jetzt sich zu Wort meldet, erscheint mir seltsam. Und die Zuchtverbände Schleswig-Holstein und Niedersachsen zeigen wenig Regung.

 

PFERD+SPORT: Macht eine Krankenversicherung für einen Halter mit zum Beispiel einem Pferd überhaupt Sinn?

Dr. Hennig Achilles: Es wird immer propagiert, aber ich habe kürzlich mal in eine Offerte rein geschaut: Monatsbeitrag ca. 200 Euro, macht im Jahr 2.400 Euro bei einer Selbstbeteiligung von 250 Euro, Aufnahmedatum bei vielen Versicherungen nur bis maximal 13 Jahre. Und Tierarztrechnung über 2400,- muss man auch erstmal erreichen für plus minus Null. Zu prüfen ist eine Kombi aus Kranken- und OP Versicherung.

Aber: wird zukünftig vermehrt an Kosten abgerechnet, werden auch die Beiträge steigen. Versicherungen haben nichts zu verschenken! Es ist wirklich nur für den Ernstfall, wenn das Pferd länger krank ist, inklusive Notfall, Wochenende, Klinik, etc, das muss jeder für sich überdenken. 

Bild:  No. 1

Dr. Henning Achilles (Foto: Stefan Stuhr)

Nachgefragt bei Tierarzt Dr. Jürgen Martens

(November 2022)

PFERD+SPORT: Herr Dr. Martens, warum wurde eine neue Gebührenordnung verabschiedet?

Dr. Jürgen Martens: Die letzte Gebührenordnung stammt aus dem Jahr 1999, es gab zwischenzeitlich eine Anpassung mit der Notdienstgebühr von 50 Euro. Aber ansonsten ist sie bereits 20 Jahre alt. Und in zwei Jahrzehnten verändern sich die Dinge. Zum einen geht es um die wirtschaftliche Situation der Tierarztpraxen – auch für uns steigen die Preise: Medikamente, Verbrauchsmaterial, Heizung, Strom. Durch das Arbeitszeitgesetz kommt es zu erheblichen Steigerungen bei den Mitarbeitergehältern, die Altersvorsorge ist teurer geworden und wir haben eine Nachfolgeproblematik. Also alles Posten, die den Betrieb der Tierarztpraxen schwieriger und aufwendiger machen und deshalb eine neue Gebührenordnung dringend erforderlich gemacht haben.

 

PFERD+SPORT: Und haben die Tierärzte die neue Gebührenordnung gefordert?

Dr. Jürgens Martens: Nein, zum Verständnis der Gebührenordnung muss man sagen, dass wir Tierärzte uns die Gebühren nicht ausdenken und selber festlegen. Denn Entscheider ist der Gesetzgeber. Der lässt sich von landwirtschaftlichen Organisationen, Tierschutzvereinigungen und von den Zuchtverbände beraten. Bei den Pferden ist die Deutsche Reiterliche Vereinigung bei diesen Entscheidungsfindungen beteiligt. All diese Institutionen diskutieren die Gebühren für die Tierärzte. Und unsere Standesorganisation hat lediglich Vorschlagsrecht. Das heißt, wir können sagen, dass aus klinisch fachlicher Sicht die Gebührenhöhe XY erforderlich wäre, aber entscheiden können wir das selber nicht.

 

PFERD+SPORT: Kann man grob beschreiben, wo es signifikante Erhöhungen gibt?

Dr. Jürgen Martens: Bestehende Gebührensätze wurden angepasst und es sind noch neue hinzugekommen. Man kann sich vorstellen, dass sich die Veterinärmedizin in 20 Jahren enorm weiterentwickelt hat. Viel ist methodisch dazu gekommen, was in der alten Verordnung gar nicht abgebildet war. Das war auch ein Grund für die Novellierung. Man hat umstrukturiert und es ist übersichtlicher geworden. Die Einfachsätze, auf denen gesetzlich vorgeschrieben liquidiert werden muss, sind insgesamt angehoben worden. Man hat dabei das Ziel verfolgt, eine Angemessenheit der Gebührensätze durchzusetzen. Die neuen Gebühren haben Gesetzeskraft und sind daran gebunden, die Einfachsätze der Verordnung zu berechnen.

 

PFERD+SPORT: Können Sie ein Beispiel nennen?

Dr. Jürgen Martens: Viele Besitzer wissen nicht, wie ein Betrag auf der Rechnung überhaupt zustande kommt. Nehmen wir eine normale Impfung: Da fällt die Besuchsgebühr an, dann setzt die Impfung eine allgemeine Untersuchung der Pferde voraus, die Injektion, den Impfstoff, die Dokumentation im Impfpass und zum Schluss folgt noch das Wegegeld mit 3,50 Euro pro Doppelkilometer. Letzteres gab es in der letzten Verordnung allerdings auch schon. Dann kommt noch die Mehrwertsteuer dazu und so muss der Kunde für eine Influenza-Impfung möglicherweise 120 bis 130 Euro bezahlen. Und wenn es um Notfälle geht in der Nacht oder am Wochenende, zum Beispiel eine Kolik beim Pferd, die man ambulant im Stall behandelt, liegt man sich nicht mehr bei 200 Euro, sondern eher bei dem doppelten Betrag.

 

PFERD+SPORT: Man wird der einfache Satz berechnet? Wann der Zweifache bis Dreifache?

Dr. Jürgen Martens: Der Zweifachsatz ist beispielsweise am Wochenende beziehungsweise im Notdienst verpflichtend, also nachts und zwischen Freitag 18 und Montag 8 Uhr. Der Dreifachsatz wurde für besonders schwierige Behandlungen eingeführt, die sehr zeitaufwändig sind. Er kann aber auch zum Beispiel bei einem sehr widersetzlichen Patienten Anwendung finden. Also für Dinge, die einen besonderen Aufwand erfordern. Und tatsächlich ist an Wochenende sogar der Vierfachsatz möglich – nach billigem Ermessen.

 

PFERD+SPORT: Aus Ihrem Alltag: Ist die neue Gebührenverordnung bereits in den Köpfen der Pferdebesitzer angekommen?

Dr. Jürgen Martens: Es hat sich rumgesprochen und die Kunden wissen, dass es teurer wird. Aber ganz im Klaren, was nun auf sie zukommt, sind sie sich wahrscheinlich noch nicht. Genauso verhält es sich übrigens auch bei uns Tierärzten. Wir sind verpflichtet, wenigstens den Einfachsatz zu liquidieren. Lassen wir Positionen in der Rechnung weg, begehen wir einen Gesetzesverstoß, der von unserer Kammer, also unseren Standesorganisationen, verfolgt und bestraft wird.

Man muss befürchten, dass im Einzelfall der Tierarzt erst dann gerufen wird, wenn aus einem „normalen“ Befund ein Notfall geworden ist. Mir ist auch klar, dass es für viele Pferdebesitzer in der jetzigen Situation wirtschaftlich schwierig geworden ist, ein Pferd zu halten. Mein dringender Rat an die Tierhalter ist es, Tierkrankenversicherungen beziehungsweise OP-Versicherungen abzuschließen. Um in Notsituationen nicht in finanzielle Schwierigkeiten zu kommen.

Bild:  No. 1

Dr. Jürgen Martens (Foto: Annette Wiechmann)

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