Nachgefragt bei der Pferdeklinik Bargteheide: Kaufuntersuchungen beim Pferd

Die Kaufuntersuchung stellt eine grundlegende Erhebung des derzeitigen Gesundheitszustandes dar. (Foto: Pferdeklinik Bargteheide)

Provokationsproben dienen der Einschätzung inwiefern das Pferd auf Belastungen, die durch das „Beugen“ simuliert werden, reagiert oder nicht. (Foto: Stefan Lafrentz)

PFERD+SPORT: Inzwischen ist die tierärztliche Kaufuntersuchung für die am Pferdehandel beteiligten Personen zu einer wichtigen, vielfach unverzichtbaren Entscheidungshilfe geworden. Oft fallen dabei die Begriffe „kleine“ und „große“ Kaufuntersuchung. Wodurch unterscheiden sich die beiden Untersuchungen und was wird jeweils bei beiden Untersuchungen geprüft und untersucht?

Pferdeklinik Bargteheide: Die Kaufuntersuchung stellt eine grundlegende Erhebung des derzeitigen Gesundheitszustandes dar. Sie dient somit der Sicherheit des Verkäufers sowie des Käufers, um keine mehr oder weniger offensichtlichen Krankheiten des Pferdes zu übersehen. Bitte denken Sie dabei immer daran, dass es sich hierbei um einen Zustand handelt, der derzeit vorliegt und dessen Entwicklung in der Zukunft nur bedingt vorhergesagt werden kann. Die kleine und große Kaufuntersuchung, von der Sie sprechen, wird unter Tierärzten als klinische und zusätzliche röntgenologische Kaufuntersuchung bezeichnet.

Zu der kleinen Kaufuntersuchung gehören die Inspektion und gegebenenfalls die Palpation (also das Abtasten) des Mauls und der Zähne, der Augen sowie der Haut, der Muskulatur, des Fells und die Bewertung des allgemeinen Pflege- und Ernährungszustandes. Außerdem schaut sich der Tierarzt genau an, ob Narben zu erkennen sind, die auf eventuelle frühere Operationen oder Verletzungen hinweisen können. Die Stellung der Gliedmaßen wird inspiziert. Natürlich wird auch das Gangbild im Schritt und Trab genau beurteilt. Dazu gehören das Vorführen im Schritt und das Vortraben sowohl auf hartem als auch weichem Boden, auf der Geraden sowie auf gebogenen Linien. Anschließend werden sogenannte Provokationsproben durchgeführt. Dies dient der Einschätzung, inwiefern das Pferd auf Belastungen, die durch das „Beugen“ simuliert werden, reagiert oder nicht. Danach folgt die Auskultation (also das Abhören) des Herzens, der Lunge und der Trachea in Ruhe und nach Belastung, was eine circa 10-minütige Bewegung im Trab und Galopp z.B. an der Longe bedingt. Danach wird in kurzen Abständen untersucht, wann die Ausgangswerte (also dieselben Werte wie vor der Belastung) wieder erreicht wurden. Hierbei können Herzgeräusche, Rhythmusstörungen oder auch pathologische Geräusche von der Lunge ausgehend festgestellt werden. Eine weitere eingehende Untersuchung des Blutes ist nicht verpflichtend, kann aber vom Auftraggeber gefordert sein. Es empfiehlt sich zumindest, Blutproben abzunehmen und als Rückhalt für eventuelle spätere Dopinguntersuchungen gefroren einzulagern.

Wenn zu diesen Untersuchungen zusätzlich eine röntgenologische Untersuchung durchgeführt wird, wird von der großen Kaufuntersuchung gesprochen. Hier können je nach Auftraggeber verschiedene Röntgenbilder gefordert werden, es gibt aber eine standardisierte Serie von 18 Röntgenbildern, die folgende Regionen der Gliedmaßen beinhalten: Erstens erfolgen die seitlichen Aufnahmen der Zehengelenke an allen vier Beinen inklusive des kompletten Hufes. Zweitens erfolgt die Hufrollenaufnahme, die nur an beiden Vorderbeinen ausgeführt wird und die Zehe in einer zweiten Ebene darstellt. Die zweite Aufnahme ist genau auf das Fesselgelenk zentriert werden. Sprunggelenksaufnahmen werden in drei verschiedenen Ebenen durchgeführt: zunächst 0 Grad- (von vorne nach hinten), dann Schrägaufnahmen im 45 Grad- und 135 Grad-Winkel. Knieaufnahmen werden in zwei Ebenen erstellt, also seitlich und von hinten. Darüber hinaus können auch Bilder der Halswirbelsäule oder des Rückens beauftragt werden. Diese gehören aber nicht zum Standard, werden jedoch oft gefordert oder angeraten.
 

PFERD+SPORT: Warum ist es sinnvoll eine Kaufuntersuchung zu machen? Was ist das Minimum, was bei einem Pferd vor dem Kauf überprüft werden sollte?

Pferdeklinik Bargteheide: Auch wenn eine Kaufuntersuchung keine Versicherung darstellt, dass das zu kaufende Pferd gesund bleibt beziehungsweise lange im Sport belastbar sein kann, stellt der Tierarzt einen genauen Status quo des Gesundheitszustandes des Pferdes fest. Daraus ergibt sich eine je nach Untersuchungsumfang kleinere oder größere Wahrscheinlichkeit, inwiefern beim Pferd ein Risiko für spätere Krankheiten vorliegt. Je mehr Informationen der Tierarzt zur Verfügung hat, desto genauer kann er eventuellen Risiken aus seiner Erfahrung nach einschätzen. Diese Informationen sind aus dem Vorbericht (zum Beispiel bisherige sportliche Nutzung, frühere Krankheiten oder Operationen), dem Signalement (Alter, Rasse, Größe) und der Untersuchung selbst zusammengesetzt. Je umfangreicher die Untersuchung ausfällt, desto mehr Informationen stehen dem Tierarzt entsprechend zur Verfügung. Daraus folgt, dass die Antwort auf die Frage, welche Untersuchung mindestens durchzuführen ist, hauptsächlich vom Käufer oder vom Verkäufer abhängt. Je nach Informationsbedarf, welche Prognose beziehungsweise welche Risiken beim Kauf vorliegen, sollte die Untersuchung mehr oder weniger umfangreich ausfallen. Dieser Informationsbedarf setzt sich dabei aus verschiedenen Faktoren, nicht zuletzt auch aus wirtschaftlichen Interessen, zusammen. Empfehlenswert ist in jedem Fall mindestens die klinische Kaufuntersuchung auch bei Freizeitpferden.

 

PFERD+SPORT: 2018 gab es bei der Beurteilung von Röntgen-Aufnahmen für die Kaufuntersuchung einen bedeutenden Einschnitt. Seither existiert der überarbeitete Röntgenleitfaden, der vollständig auf die Röntgenklassen verzichtet. Wie werden Röntgenaufnahmen ohne die klassische Kategorisierung nach aktuellem Stand beurteilt?

Pferdeklinik Bargteheide: Der Röntgenleitfaden 2007, der bis 2018 galt, umfasste die Beurteilung von zwölf Standardröntgenbildern und dem Rücken. Diese wurde in vier Befundklassen mit einer entsprechenden Risikobewertung eingeteilt. Im Laufe der zehnjährigen Anwendung hatte sich herauskristallisiert, dass in vielen Fällen die vergebene Röntgenklasse nicht mit den tatsächlichen sportlichen Leistungen eines Pferdes in Einklang zu bringen war. Insbesondere im Bereich der Röntgenklasse 1-3 gab es in der Nachschau keine signifikanten Unterschiede in der sportlichen Leistung und Nutzbarkeit.
Als Konsequenz hieraus wurde zum einen die Anzahl der Standardaufnahmen zugunsten mehr Befundsicherheit erhöht (18 Standardaufnahmen statt zwölf) und zum anderen geringgradige Befunde nicht weiterhin hinsichtlich ihrer klinischen Bedeutsamkeit kategorisiert.
 

Im neuen Röntgenleitfaden 2018 wird nur noch zwischen zwei Kategorien unterscheiden.
1.    Röntgenbefunde, bei denen ein Risiko, eine Lahmheit zu verursachen ungewiss ist
2.    Röntgenbefunde, die mit einem Lahmheitsrisiko behaftet sind, sogenannte Risikobefunde

Wegen der problematischen Abschätzung der klinischen Auswirkung von Röntgenbefunden im Dornfortsatzbereich des Rückens entfällt die Rückenbeurteilung im Röntgenleitfaden 2018 und wird zukünftig individuell beurteilt.

 

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