Titelbild: Stoffwechselerkrankungen beim Pferd

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Stoffwechselerkrankungen beim Pferd

Die häufigsten Stoffwechselerkrankungen beim Pferd sind EMS (Equines Metabolisches Syndrom), PPID (pituitary pars intermedia dysfunction - früher Equines Cushing Syndrom) und PSSM (Polysaccharid-Speicher-Myopathie). PFERD+SPORT hat sich mit der Pferdeklinik Bargteheide über mögliche Symptome und Behandlungsmöglichkeiten von Stoffwechselerkrankungen unterhalten.
 

PFERD+SPORT: Welche Symptome zeigen Pferde mit diesen Stoffwechselerkrankungen?

Pferdeklinik Bargteheide: EMS ist eine Erkrankung, die zumeist Pferde mit generell starkem Übergewicht oder großen Fettpolstern an bestimmten Stellen betrifft. Charakteristisch sind Fetteinlagerungen an Mähnenkamm, in der Hüftregion und am Schweifansatz. Zumeist geht der Erkrankung eine kohlenhydrat- oder fettreiche Fütterung oder Bewegungsmangel voraus. Das Resultat ist eine leichte chronische Entzündung des Fettgewebes. In weiterer Folge kommt es häufig zu einer Insulinresistenz und Hufrehe. Die Insulinresistenz kann zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel führen.

Bei PPID findet im Hypophysenzwischenlappen (Pars intermedia der Hypophyse) eine Überproduktion des Hormons ACTH statt. Ursächlich für diese ist eine Veränderung der Zellen des Hypophysenzwischenlappens. Das Hormon ACTH regt die Cortisolausschüttung im Körper an, was bedeutet, dass Pferde mit erhöhten ACTH-Werten auch erhöhte Cortisolwerte haben können. Die Symptome sind davon abhängig, wie lange die ACTH-Überproduktion bereits stattgefunden hat. Pferde mit PPID zeigen nicht wie bei anderen Erkrankungen eine plötzlich auftretende Symptomatik, sondern entwickeln diese langsam. Das bekannteste Symptom ist der langsame, verzögerte oder unvollständige Fellwechsel. Außerdem können die Pferde eine generalisierte Muskelatrophie, Gewichtsverlust und disproportionale Fettablagerungen aufweisen. Eine nicht zu unterschätzende Komplikation einer nicht behandelten PPID kann Hufrehe sein. Diese wird durch einen erhöhten Cortisolspiegel im Blut ausgelöst. Außerdem können an PPID erkrankte Pferde Apathie, Leistungsschwäche, vermehrtes Schwitzen, vermehrtes Durstgefühl und vermehrten Harnabsatz zeigen sowie Fertilitätsstörungen und in schweren Fällen Kreislaufkollaps und Krämpfe. In weiterer Folge kann die durch einen erhöhten Cortisolspiegel entstehende Immunsuppression zu einer Anfälligkeit für Infektionskrankheiten führen.

PSSM ist eine genetische Muskelerkrankung, die sich in einer Störung des Kohlenhydratstoffwechsels äußert. Durch eine erhöhte Empfindlichkeit der Muskelzelle für Insulin kommt es zu einer vermehrten Einlagerung von Glucose und Polysacchariden in der Muskulatur. Polysaccharide können jedoch nicht so leicht abgebaut werden wie Glucose und lagern sich deswegen in den Muskelzellen an. Die Symptome können einem Kreuzverschlag ähneln  und sich in Trägheit, Bewegungsunlust, Muskelsteifheit, Muskelzittern und fester Muskulatur, vor allem an der Hinterhand, äußern. Manche Pferde zeigen einen Muskelabbau und auch wechselnde Lahmheiten können die Folge von PSSM sein. In schlimmeren Fällen kann es zu Steifheit bis hin zum Festliegen kommen. Die Symptomatik tritt zumeist auf, wenn die Pferde zehn bis 20 Minuten lang leicht gearbeitet wurden. Manche zeigen kaffeebraunen Harnabsatz, der durch einen vermehrten Muskelabbau und Ausscheiden der Muskelproteine entsteht. Dies kann in der Folge zu einer Schädigung der Nieren führen.
 

PFERD+SPORT: Ist eine bestimmte Pferderasse anfälliger für Stoffwechselerkrankungen als andere?

Pferdeklinik Bargteheide: Für EMS sind vor allem leichtfuttrige Pferderassen prädispositioniert.
PPID betrifft zumeist ältere Pferde und Ponys, die zu Beginn der Krankheit sehr gut im Futter stehen. Aber auch junge Tiere können daran erkranken. Eine besondere Rassedisposition gibt es nicht.
PSSM ist eine Krankheit, die aufgrund einer genetischen Mutation entsteht. Pferderassen, bei denen dieses Gen am häufigsten auftritt, sind Quarter Horses, Paint Horses, Apaloosas und Kaltblüter. Seltener können auch Warmblütern betroffen sein.
 

PFERD+SPORT: In den vergangenen Jahren wurden Stoffwechselerkrankungen immer präsenter, gibt es einen Anstieg dieser Krankheiten bei Pferden? Wenn ja, womit hängt das zusammen?

Pferdeklinik Bargteheide: Stoffwechselerkrankungen werden vor allem deswegen immer präsenter, weil sie immer öfter diagnostiziert werden. Dies hängt zum einen mit der immer besser werdenden Diagnostik dieser Erkrankungen zusammen, zum anderen werden durch die größere Präsenz dieser Stoffwechselerkrankungen auch die Pferdebesitzer aufmerksamer und erkennen Anzeichen für Stoffwechselerkrankungen deutlich öfter. Ein weiterer Faktor ist, dass Übergewicht auch bei Pferden ein immer größeres Thema wird.

Bild:  No. 1

Charakteristisch für EMS sind Fetteinlagerungen an Mähnenkamm, in der Hüftregion und am Schweifansatz (Foto: Pferdeklinik Bargteheide)

Bild:  No. 2

Das bekannteste Symptom von PPID ist der langsame, verzögerte oder unvollständige Fellwechsel. (Foto: Pferdeklinik Bargteheide)

PFERD+SPORT: Sind diese Krankheiten heilbar? Wie gestaltet sich die Behandlung, worauf muss ich als Besitzer achten?

Pferdeklinik Bargteheide: Diese Stoffwechselerkrankungen sind alle in dem Sinne nicht heilbar, dass die Ursache nicht behoben werden kann. Die Symptome können aber therapiert und somit das Wohlbefinden der Pferde wiederhergestellt werden. Der Therapie geht stets eine mittels Laboruntersuchung durch den Tierarzt erfolgte Diagnostik voraus. Dabei ist zu beachten, dass PPID nur saisonal getestet werden kann und zwischen Ende August bis einschließlich Oktober keine sichere Labordiagnostik möglich ist.

Bei EMS ist die wichtigste Behandlung eine strikte Diät. Dabei muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Pferde nicht zu viel Gewicht auf einmal verlieren und das richtige gefüttert wird. Zu empfehlen ist ein Gewichtsverlust von ein bis zwei Prozent des Körpergewichts pro Woche. Normales Kraftfutter muss gestrichen und dafür gezielt Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente zugefüttert werden. Außerdem sollte darauf geachtet werden energieärmeres Heu zu füttern. Auch saftige Weiden sind für Pferde mit EMS nicht geeignet. Eine medikamentöse Unterstützung der Diät ist möglich, zumeist jedoch nicht notwendig.

PPID kann ausschließlich medikamentös therapiert werden. Dabei wird die ACTH Ausschüttung aus dem Hypophysenzwischenlappen gehemmt und dadurch auch der eventuell einhergehende erhöhte Cortisolspiegel. Das Medikament muss durch den Tierarzt verschrieben und die Dosis individuell an das Pferd angepasst werden.

Pferde, die unter PSSM leiden, brauchen einen optimalen Futter- und Bewegungsplan. Bei der Fütterung ist eine möglichst kohlenhydratarme Diät Pflicht. Hochwertiges Raufutter (am besten Heu) kann statt durch Getreide mit Fetten ergänzt werden, um die Energieversorgung zu gewährleisten. Außerdem ist auf eine ausreichende Vitamin- und Mineralstoffversorgung zu achten. Zu empfehlen ist eine individuelle Beratung von Tierarzt oder Futtermittelexperte. Bei dem Bewegungsplan ist vor allem eine tägliche, am besten beständige Bewegung, wie in Offen- oder Aktivställen, zu empfehlen. Zusätzlich müssen betroffene Pferde nach Absprache mit dem Tierarzt nach einem gezielten Trainingsplan gearbeitet und nach PSSM Schüben wiederaufgebaut werden.
 

PFERD+SPORT: Immer häufiger hört man auch von der neueren Stoffwechselkrankheit „KPU“ (Kryptopyrrolurie), was ist das genau für eine Krankheit? Oft hört man, dass dieser Krankheit in erster Linie ein Fütterungs- und Haltungsproblem zugrunde liegt?

Pferdeklinik Bargteheide: Kryptopyrrolurie (KPU) ist eine Erkrankung, deren Existenz aktuell wissenschaftlich nicht belegt ist. Die Theorie hinter dieser Erkrankung ist eine Stoffwechselstörung, die zu einer vermehrten Produktion und Ausscheidung von Pyrrolen im Harn führt. Pyrrole sind unter anderem Bausteine für Häm und Bilirubin. Häm ist Teil des Hämoglobins (rotes Blutkörperchen) und Bilirubin ist wiederrum ein Abbauprodukt von Hämoglobin. Bei der KPU bilden Vitamin B6 und Zink Komplexe mit den Pyrrolen und werden dadurch ebenfalls vermehrt ausgeschieden. Nachgewiesen werden kann die Erkrankung durch eine Bestimmung des Vitamin B6 und Zink Gehaltes in einer Urinprobe. Ursächlich für diese Erkrankung werden vor allem Fütterungsfehler genannt. Als Symptome werden vor allem Futterunverträglichkeiten, Headshaking, EMS, Hufrehe, Hyperaktivität, Hautkrankheiten wie Sommerekzem, chronische Bronchitis und Überreaktionen bei Stress beschrieben. Therapeutisch wird zu einer Futtermittelergänzung mit Vitamin B6 und Zink geraten. Generell ist eine ausreichende Vitamin-, Mineralstoff- und Spurenelementversorgung sowie eine auf die Bedürfnisse des jeweiligen Pferdes abgestimmte Fütterung wichtig und sollte bei Unklarheiten mit dem Tierarzt besprochen werden. Ein Mangel an einzelnen Vitaminen und Spurenelementen kann durch eine Blutuntersuchung und Futtermittelberechnung festgestellt werden. Davon, Pferde auf Verdacht eines Mangels mit einem Spurenelement oder Vitamin überzuversorgen, muss hier jedoch abgeraten werden. Des Weiteren sollten alle oben genannten Symptome unbedingt tierärztlich auf andere mögliche Ursachen differentialdiagnostisch untersucht werden.

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