Zuchtserie von PFERD+SPORT: Geburtsüberwachung, Geburt und Geburtsstörungen

Um eine Überwachung sicherzustellen, helfen sogenannte Geburtenwächter. Es handelt sich um Sonden, die je nach System als Bauch- und Brustgurte oder am Halfter angebracht werden. (Foto: Holsteiner Pferdezucht Thiedemann)

Der Milcheinschuss erfolgt circa ein bis vier Tage vor der Geburt. Die Zitzen sind dann deutlich gefüllt und sogenannte „Harztropfen“ bilden sich an den Zitzenkuppen. (Foto: Stefan Lafrentz)

PFERD+SPORT: Der errechnete Geburtstermin des Fohlens ist fast erreicht, welches sind erste Anzeichen der Stute, dass die Geburt bald beginnen könnte?

Pferdeklinik Bargteheide: Ein erstes Anzeichen, dass die Geburt bald bevorsteht, ist die Anbildung des Euters. In der Regel beginnt diese circa drei bis vier Wochen vor Geburt, kann jedoch von Stute zu Stute stark variieren. Bei Maidenstuten, also Stuten die noch kein Fohlen hatten, und Ponys kann dies auch erst unter der Geburt auftreten.
Der Milcheinschuss erfolgt circa ein bis vier Tage vor der Geburt. Die Zitzen sind dann deutlich gefüllt und sogenannte „Harztropfen“ bilden sich an den Zitzenkuppen. Hierbei handelt es sich um eingetrocknetes Vorkolostrum, die Vorstufe der ersten Muttermilch. Unmittelbar vor der Geburt bildet die Stute nun das Kolostrum, das tropfenweise abgehen oder sogar im Strahl abfließen kann. Viele Besitzer bemerken eine Umfangsvermehrung im Unterbauchbereich ihrer Stute. Gegen Ende der Trächtigkeit kann es hier durch hormonelle Veränderungen zu Wassereinlagerungen kommen, dem sogenannten Geburtsödem.
Auch kann ein Einfallen der Beckenbänder beobachtet werden, sodass der Bereich um die Kruppe beidseits der Schweifrübe sehr weich erscheint. Die Scheidenöffnung der Stute ist zum Geburtstermin hin vermehrt gefältelt und in die Länge gezogen.
Auch der Bauchumfang der Stute verändert sich im Laufe der Trächtigkeit. Wobei dieser während der Trächtigkeit ein etwa tonnenförmiges Aussehen bekommt, erscheint er zum Ende der Trächtigkeit eher birnenförmig. Bei allen Anzeichen ist auf jeden Fall zu bedenken, dass sie individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und sowohl einige Tage vor dem Abfohlen als auch erst wenige Stunden vor Geburtsbeginn auftreten können.
    

PFERD+SPORT: Welche Hilfsmittel können zur Überwachung vor der Geburt genutzt werden?

Pferdeklinik Bargteheide: Ein beliebtes Hilfsmittel ist die Videoüberwachung im Stall. So kann eine ständige Beobachtung der Stute sichergestellt werden, ohne dass sie dabei durch Personen im Stall gestört wird.
Um auch nachts eine Überwachung sicherzustellen, ohne sich für die regelmäßigen Kontrollen den Wecker stellen zu müssen, helfen sogenannte Geburtenwächter.
Es handelt sich um Sonden, die je nach System als Bauch- und Brustgurte oder am Halfter angebracht werden. Sie registrieren entweder die Lage der Stute auf der Seite oder sprechen auf ein vermehrtes Schwitzen an. Die Seitenlage nehmen hochtragende Stuten in der Regel nur noch in Geburt ein. Moderne Überwachungssysteme können mit bestimmten Einstellungen sogar das Ruhen von der eigentlichen Geburt unterscheiden und somit Fehlalarme vermeiden.
Für Besitzer, die eine noch genauere Kontrolle der Stute bevorzugen, gibt es Sender, die vom Tierarzt an den Schamlippen der Stute mit wenigen Stichen eingenäht werden können. Bei Geburtsbeginn lösen diese durch das Öffnen der Schamlippen bei Austritt der Fruchtblase ein Signal aus. Aber auch Sender sind nicht fehlerfrei und können eine regelmäßige Kontrolle und ein aufmerksames Beobachten der Stute nicht ersetzen.


PFERD+SPORT: Wie sollte eine normale Geburt verlaufen?

Pferdeklinik Bargteheide: Der gesamte Ablauf der Geburt dauert beim Pferd in der Regel zwischen ein und zwei Tagen und ist in vier verschiedene Stadien unterschiedlicher Länge gegliedert. Diese sind das Vorbereitungsstadium, das Öffnungsstadium, das Austreibungsstadium und das Nachgeburtsstadium.

Im Vorbereitungsstadium, dem mit 24 bis 48 Stunden längsten Stadium im Geburtsverlauf, wird das Fohlen innerhalb der Gebärmutter bewegungsfreudiger. Es befindet sich aber weiterhin in unterer Stellung liegt also quasi innerhalb des Uterus auf dem Rücken. Die Stute zeigt klinisch die sogenannten „Harztropfen“, welche eine Art Vormilch mit gelblicher Farbe sind, verbunden mit vermehrtem Schwitzen und Unruhe bis hin zu leichten Koliksymptomen. Auch Stellwehen können sich bereits einstellen.

Im Öffnungsstadium, das etwa ein bis vier Stunden dauert, dreht sich der Embryo in obere Stellung. Liegt jetzt also innerhalb des Uterus auf dem Bauch. Gleichzeitig streckt das Fohlen Vorderbeine und Hals in Richtung des Geburtskanals aus. Die Stute wird zunehmend unruhiger, schwitzt und legt sich vermehrt hin. Auch das Abgehen der sogenannten Allantoisflüssigkeit kündigt ein baldiges Bevorstehen der Geburt an.

Im Austreibungsstadium wird das Fohlen aus der Gebärmutter befördert. Diese Phase sollte nicht viel länger als 20 Minuten andauern und geht mit starken Presswehen und dem Bersten der Amnionblase, also der inneren Fruchthülle, einher. Physiologischerweise sollte das Fohlen in Vorderendlage, mit oberer Stellung und gestreckter Haltung der Vordergliedmaßen erfolgen. Das heißt, dass Vordergliedmaßen und Kopf zuerst erscheinen sollten, die Wirbelsäule des Fohlens parallel zur Wirbelsäule der Mutter und rückenwärts weisend ist. Zudem ist keines der Vorderbeine abgeknickt.

Erst nachdem das Fohlen auf der Welt ist beginnt die letzte Phase der Geburt, die Nachgeburtsphase. In dieser kommt es zu den sogenannten Nachwehen, bei denen Nachgeburt und Fruchtwässer abgehen. Dies muss beim Pferd innerhalb von höchstens zwei Stunden nach der eigentlichen Geburt erfolgen, da ein verzögerter Abgang der Nachgeburt zu einer Entzündung in der Gebärmutter mit gravierenden gesundheitlichen Folgen führen kann in Form einer Geburtsrehe (Hufrehe).

 

PFERD+SPORT: Welches sind die häufigsten Geburtsstörungen und was ist dann zu tun?

Pferdeklinik Bargteheide: Von einer Geburtsstörung kann man sprechen, wenn das Öffnungsstadium oder das Austreibungsstadium der Geburt deutlich verlängert sind. Dies passiert bei etwa einem Prozent der Stutengeburten und stellt beim Pferd immer einen Notfall dar. Falls der Verdacht einer Geburtsstörung besteht, sollte ein Tierarzt hinzugezogen werden. Abhängig von der Diagnose kann der Tierarzt entweder medikamentell, manuell oder chirurgisch eingreifen, um die gefundenen Probleme zu beheben. Bis zum Eintreffen des Tierarztes sollte die Stute geführt und am Niederlegen gehindert werden!
Häufigste Auslöser für eine Dystokie, also eine Schwergeburt, sind mit circa 60 Prozent der Fälle Anomalien bezüglich Lage, Stellung und Haltung des Fohlens. Das bedeutet, dass das Fohlen sich innerhalb des Uterus oder Geburtskanals nicht in der physiologischen, also normalen Position befindet. Solche Anomalien können sich auf Lage, Stellung und Haltung des Fohlens beziehen. Am häufigsten treten die sogenannten Haltungsanomalien auf, also etwa ein angewinkeltes Vorderbein. In solchen Fällen ist ein Eingreifen durch den Tierarzt erforderlich. Dieser versucht unter Einsatz von Medikamenten, die die Wehentätigkeit hemmen, manuell und mit Hilfe von Geburtsstricken die Fehlstellung innerhalb des Uterus zu korrigieren. Nur in seltenen, sehr gravierenden Fällen kann eine Entbindung mittels Kaiserschnittes nötig sein.

Als zweithäufigste Geburtskomplikation wird in der Literatur die Torsio uteri beschrieben. Dabei handelt es sich um eine Drehung des kompletten Uterus um seine Längsachse während des Geburtsvorgangs. Es kommt zu einer Verlegung des Geburtsweges und Durchblutungsstörungen der Plazenta. Auch hier ist dringend ein Tierarzt hinzuzuziehen, welcher mittels rektaler und vaginaler Untersuchung die Uterusverdrehung diagnostiziert. Therapeutisch wird dann unter Fixation des Fohlens die Gebärmutter manuell oder mit Hilfe von geburtshilflichen Instrumenten aufgedreht.

Auch ein absolut oder relativ zu großes Fohlen, eine Zwillingsträchtigkeit oder Missbildungen des Fohlens können zu Problemen bei der Geburt führen. Sollte einer dieser Fälle eintreten, wird der behandelnde Tierarzt über weitere Schritte entscheiden. Wenn ein Auszug des Fohlens nicht möglich ist, kann auch in diesen Fällen ein Kaiserschnitt nötig sein. Dieser stellt allerdings für Stute und Fohlen einen risikobehafteten Eingriff dar.


PFERD+SPORT: Das Fohlen ist gesund zur Welt gekommen. Wie sollten sich die ersten Stunden nach der Geburt für das Fohlen gestalten?

Pferdeklinik Bargteheide: Unmittelbar nach der Geburt sollten die Vitalparameter des Fohlens überprüft werden. Besonderer Fokus sollte hierbei auf ein zeitnahes Einsetzen der Atemtätigkeit gelegt werden. Falls die Atmung nicht direkt eintritt, kann das Fohlen mit Klapsen oder kaltem Wasser zur Atmung animiert werden. Des Weiteren sollten die Schleimhäute überprüft werden. Nüstern und Maul werden von eventuell vorhandenen Fruchthäuten befreit und das Fohlen kann mit Stroh abgerieben werden, um den Kreislauf anzuregen. Die Nabelschnur reißt in der Regel erst ab, wenn Stute oder Fohlen nach der Geburt aufstehen. Sie  sollte nicht durchtrennt werden, damit möglichst lange sauerstoff- und nährstoffreiches Blut aus der Plazenta in das Fohlen fließen kann.
Da Fohlen als Fluchttiere und Nestflüchter sehr weit entwickelt zur Welt kommen, sollte das Fohlen innerhalb einer halben Stunde nach der Geburt die ersten Aufstehversuche starten. Bei diesen wird dann auch die Nabelschnur reißen. Der Nabel sollte auf Blutungen überprüft und mit einer Jodlösung desinfiziert werden. Die Desinfektion sollte nach einer Stunde und in den nächsten Tagen wiederholt werden, da er eine Eintrittspforte für Erreger darstellt. Nach etwa ein bis zwei Stunden sollte das Fohlen einigermaßen standfest sein und erste Trinkversuche unternehmen. Eine zeitnahe Aufnahme der ersten Milch, des sogenannten Kolostrums, muss innerhalb der ersten zwölf bis allerhöchstens 24 Stunden nach der Geburt erfolgen. Nur in diesem Zeitraum ist eine Aufnahme der mütterlichen Antikörper, die essentiell für die Entwicklung des Immunsystems des Fohlens sind, möglich. Dabei ist eine Aufnahme von mindestens zwei Litern innerhalb von sechs bis zwölf Stunden nach der Geburt zwingend nötig. Auch ein Abgang des ersten Harns und des ersten Kots, des sogenannten Darmpechs, sollte innerhalb des ersten Lebenstages erfolgen.


PFERD+SPORT: Benötigen Stute und Fohlen nach der Geburt eine Nachsorge oder Routineuntersuchung durch den Tierarzt?

Pferdeklinik Bargteheide: Im Falle von Auffälligkeiten sollte in jedem Fall umgehend ein Tierarzt hinzugezogen werden, da sich sonst lebensbedrohliche Zustände für Stute und Fohlen einstellen können.
Bei der Stute muss innerhalb von zwei Stunden nach der Geburt die komplette Nachgeburt abgegangen sein! Sollte die Nachgeburt nicht vollständig abgegangen sein, muss ein Tierarzt hinzugezogen werden, um ein zeitnahes Abgehen sicherzustellen. Ansonsten kann es zu gravierenden, teils lebensbedrohlichen Zuständen kommen. Neben dem Vorhandensein der vollständigen Nachgeburt sollte die Stute auf eventuelle Blutungen aus der Scheide und auf Koliksymptomatik überprüft werden. Auch auf eine ausreichende Milchbildung ist zu achten.
Das Fohlen muss innerhalb von wenigen Stunden nach der Geburt aufstehen, Milch aufnehmen und Kot absetzen. Ist das nicht der Fall, sollte auf jeden Fall ein Tierarzt hinzugezogen werden, um das Fohlen eingehend zu untersuchen. Dabei können etwa die Antikörper im Blut mit einem Schnelltest bestimmt werden. Falls das Fohlen innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt den ersten Kot, das sogenannte Darmpech, noch nicht absetzt hat, verabreicht der Tierarzt ein Klistier, um den Kotabgang zu erleichtern. Gleiches gilt, wenn beim Fohlen kein Harnabsatz festgestellt wurde oder Harnabgang über den Nabel erfolgt. Dies kann etwa auf eine Blasenruptur oder angeborene Fehlbildungen hindeuten.


Auch wenn Stute und Fohlen auf den ersten Blick gesund erscheinen, sollte ein Tierarzt innerhalb des ersten Lebenstages konsultiert werden, um eine Routineuntersuchung durchzuführen. Diese umfasst in der Regel eine Überprüfung auf angeborene Missbildungen, wie etwa Gaumenspalten, eine allgemeine klinische Untersuchung, sowie Untersuchung des Nabels und der Gelenke auf Anzeichen von Entzündungen oder Fehlstellungen (Sehnenstelzfuß, Gelenksversteifungen, X- oder O-Beinigkeit, Durchtrittigkeit)
 

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