TSF Dalera BB oder Glamourdale. Das war die große Frage, die alle Dressurenthusiasten vor den Titelkämpfen beschäftige. Kann die von Jessica von Bredow-Werndl gerittene Olympiasiegerin und Titelverteidigerin die amtierenden Weltmeister, den Lord Leatherdale-Sohn Glamourdale unter der Britin Charlotte Fry in Schach halten? Und TSF Dalera BB v. Easy Game konnte. Sie siegte in allen drei Prüfungen mit einem „personal best“ trotz kleiner „hickups“ im Grand Prix und Special (kein sauberes Stehen beim ersten Halten) und in der Kür (ein Missverständnis in den Einerwechseln, die dann auf der Jokerlinie perfekt gelangen). Mit Blick auf Paris hatte Jessica von Bredow-Werndl für ihre Kür französischen Chansons von Edith Piaff gewählt. „Ich bekomme immer wieder Gänsehaut, wenn die Musik beginnt“, sagte Jessica von Bredow-Werndl nach ihrem Ritt. In allen drei Prüfungen beeindruckte das Paar mit einer Leichtigkeit, wie man sie selten im gehobenen Dressursport sieht. Im Grand Prix hatte nur die Britin Isobel Wessels das Paar auf dem zweiten Platz gesehen, im Special war die Meinung der sieben Richter eindeutig „Platz eins“, und in der Kür war es wieder Isobel Wessels, die TSF Dalera BB auf dem zweiten Platz sah. Einer Meinung, der sich auch Maria Colliander aus Finnland angeschlossen hatte. Beide hatten Lottie Fry mit Glamourdale an der Spitze gesehen, der am Finaltag seine beste Prüfung ging. Der imposante, bewegungsstarke Hengst konnte hier seine großen Qualitäten, vor allem in der Galopptour, ausspielen. Ihre zweite Einzelbronzemedaille holten sich nach dem Special Charlotte Dujardin,die im Januar Töchterchen Isabella zur Welt gebracht hatte, und ihr KWPN-Fuchs Imhotep v. Everdale, der übrigens zu Hause Tag und Nacht auf der Koppelsteht. Sie ritt eine technisch schwierige Kür, in der der Fuchs zuweilen recht eng wurde. Alle drei Medaillengewinnerin übertrafen die magische 90-Prozent-Marke. Das hatte es noch nie gegeben.
Dass die Briten mit einem starken Team in Riesenbeck erscheinen würden, war allen klar, die im Vorfeld die Ergebnisse aus Großbritannien verfolgt hatten. Zu Charlotte Dujardin und Charlotte Fry gesellten sich Gareth Hughes mit seiner herrlichen Classic Briolinca (KWPN) v. Trento B und die britische Dressur-Ikone Carl Hester. Er hatte den 13-jährigen Fame (KWPN) v. Bordeaux erst Anfang des Jahres von Fiona Bigwood übernommen und am ersten Grand Prix-Tag mit seinem feinen Reiten für Begeisterungsstürme bei den Zuschauern gesorgt. 78,540 Punkte waren ein persönliches Bestergebnis für das Paar. 2,546 Punkte betrug der Vorsprung der Briten, die erstmals seit 2011 wieder ganz oben auf dem EM-Treppchen standen, auf das deutsche Team, das Silber gewann. Für Sönke Rothenberger, der seinem erst neunjährigen Fendi die Strapazen eines Championats in Hinblick auf die Olympischen Spiele im kommenden Jahr wohl ersparen wollte, war Matthias-Alexander Rath mit Thiago ins deutsche Team gerückt. Das Talent für den Dressursport ist dem Totilas-Sohn aus Ann-Kathrin Linsenhoffs ehemaligen Erfolgspferd Wajahama v. Warkant in die Wiege gelegt worden. Der Grand Prix hatte einige Höhepunkte, aber auch einen Aussetzer in einer Galopppirouette.Im Special war die Luft bei dem gut durch den Sommer gekommenen Rappen wohl etwas raus. Auf der Schlusslinie mit Piaffe und Passage blieb er zunächst stehen, piaffierte und passagierte dann aber brav nach Hause. Am ersten Tag ging auch Isabell Werth mit DSP Quantaz v. Quaterback an den Start. 77,174 Punkte standen im Grand Prix auf ihrem Konto, was Rang sieben bedeutete. Im Special rückte das Paar auf Platz sechs vor. Eine weitere Steigerung gab es in der Kür. Viele hatten Isabell Werth und DSP Quantaz mit der fehlerlosen, technisch wohl schwierigsten Kür (u. a. aus Piaffe-Pirouette in die Galopp-Pirouette) auf dem Podium gesehen hatten. Es war das Beste, was wir bislang von dem Braunen bislang gesehen haben. „Es war toll, dass das Publikum den hohen Schwierigkeitsgrad erkannt hat“, freute sich Isabell Werth, die, wenn wir richtig gezählt haben, inzwischen 45 (!) internationale Championatsmedaillen erritten hat. Damit dürfte sie zu Deutschlands erfolgreichsten Sportlern überhaupt zählen. Der „Dritte im Bunde“, der die Kür erreicht hatte, Frederic Wandres legte mit Bluetooth (Oldb.) v. Bordeaux, der einst von Ingrid Klimke in den Sport gebracht wurde, in Grand Prix und im Special mehr als soliden solide, von Leichtigkeit und sicher Anlehnung geprägte Vorstellungen hin, die mit Rang sechs bzw. fünf belohnt wurden. In der Kür unterlief dem Reiter ein Missgeschick: Er ritt zwei Rechtstraversalen und vergaß die Linkstraversale. Der Kasselmann-Bereiter versuchte zwar, diese noch „einzubauen“, doch wichtige Punkte waren verloren gegangen. „Ich ärgere mich natürlich riesig“, meinte Frederic Wandres nach seinem Ritt. Das Wichtigste für ihn aber war, dass Bluetooth das ganze Wochenende in bestechender Form gegangen ist. Das Fazit von Bundestrainerin Monica Theodorescu konnte nach der EM ein positives Fazit ziehen: „Unsere Pferde haben sich toll gezeigt, und ich bin im Hinblick auf kommendes Jahr frohen Mutes“.
Mannschaftsbronze holten sich die amtierenden Weltmeister aus Dänemark, die ohne ihre vermeintlich stärkste Reiterin Catherine Dufour antraten. Ihr WM-Pferd Vamos Amigos geht inzwischen unter der jungen Britin Annabell Pidgley. Sie wurde ersetzt durch Andreas Helgstrand mit Jovian (KWPN) v. Apache. Der erst neunjährige, zweifache Weltmeister der jungen Dressurpferde, ist zweifelsohne ein hochtalentiertes Pferd, für das die Titelkämpfe wohl noch etwas zu früh gekommen sind. Das Streichergebnis des dänischen Teams lieferte im Grand Prix Daniel Bachmann-Andersen mit dem von Helen Langehanenberg übernommenen Vayron (Westf.) v. Vitalis, der sich im Special deutlich steigern konnte und in der Kür 17. wurde. Eine feste Größe im dänischen Team sind Heiline’s Danciera (DWB) v. Fürstenball und Carina Cassoe-Krüth, die Platz acht im Grand Prix, Platz zehn im Special und Platz acht in der Kür belegten. Das überragende Pferd der Dänen war der von Nanna Skodburg Merrald gerittene Blue Hors Zepter (Oldb.) v. Blue Hors Zack. Deren Stern war beim diesjährigen Weltcupturnier in Neumünster aufgegangen als sie Grand Prix und die Kür gewannen. Die dänische Amazone hatte den typstarken Fuchshengst, dessen Vater Blue Horse Zack unter ihr bei den Weltmeisterschaften in Herning am Start gewesen war, erst Ende vergangenen Jahres übernommen. Patrick Kittel und Daniel Bachmann-Andersen hatten zuvor in seinem Sattel gesessen. Nachdem Zepter im Grand Prix nach Missverständnissen in den Pirouetten etliche Punkte liegen ließ, lief der 15-Jährige im Special zu Bestform auf. Die Pirouetten waren makellos, vielleicht die Besten, die an diesem Tag gezeigt wurden. Auch die Traversalen und Piaffen waren nahezu perfekt. Silber war der verdiente Lohn des Paares. „Ich wusste, dass eine Medaille möglich ist“, sagte die Dänin, die in der Kür Vierte wurde, „beim Schlussgruß hatte ich das Gefühl: mehr geht nicht“.
Die Königinnen von Riesenbeck: Jessica von Bredow-Werndl und TSF Dalera BB, die alle drei Prüfungen für sich entscheiden konnten. Im Weltcupfinale 2024, dass im saudi-arabischen Riad stattfindet, wird man das Paar allerdings nicht am Start sehen: „Ich habe Dalera versprochen, dass sie nie wieder ein Flugzeug besteigen muss -, die olympischen Spiele von Paris sind das erklärte Ziel.“
Chapeau Isabell Werth: Das, was die Rheinbergerin mit dem deutlich verbesserten DSP Quantaz in der technisch höchst anspruchsvollen Kür auf das Viereck zauberte, war Spitzenklasse. Sie waren an diesem Sonntag die „Sieger der Herzen“.
Feines Reiten war in Riesenbeck großgeschrieben. Eine der Reiterinnen, die das zelebrierte, war die Französin Pauline Basquin vom Cadre Noir, die sich auf mit Sertorius de Rima Z Sandro Hit überraschend in die Kür vorarbeiten konnten und dort einen hervorragenden 13. Platz belegte.
Nach den Springreitern holten sich auch die österreichischen Viereckspezialisten das Ticket für die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Paris. Der einzige Holsteiner, der in Riesenbeck im großen Viereck vertreten war, Te Quiero SF v. Totilas-Loutano (Jens-Peter Timm, Norderstedt) gehörte unter Christian Schumach zum Team unseres Nachbarlandes. Er wurde im Grand Prix 39.
Donata von Preußen
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